27.07.2020 – zuletzt aktualisiert am: 27.04.2022
Arbeitsrecht auf Dienstreisen: Was gilt für Angestellte
Zahlreiche Angestellte sind im Auftrag ihres Unternehmens beruflich unterwegs. Doch welche Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Arbeitsrecht für Dienstreisen? Gilt die Reisezeit als Arbeitszeit? Wie werden Überstunden abgegolten und wie sieht es mit dem gesetzlichen Unfallschutz aus? Diese und weitere spannende Fragen rund um Dienstreisen beantwortet dieser Beitrag.
Was ist eine Dienstreise?
Eine Dienstreise, auch als Geschäfts- oder Arbeitsreise bekannt, sind alle Reisetätigkeiten aus beruflichen Gründen. Dies kann eine Fahrt zur Messe in die nächstgelegene Stadt, eine Reise mit der Bahn zu einem Kunden oder ein Flug zu einem Geschäftspartner ins Ausland sein. Eine Anreise zu einem Seminar, einer Tagung oder beruflichen Veranstaltung gilt ebenfalls als Dienstreise.
Abgrenzung zum Dienstgang
Anders als eine Dienstreise, beschreibt der Dienstgang eine Fahrt oder einen Gang, der innerhalb des Dienst- oder Wohnortes vorgenommen wird.
Gibt es eine Dienstreise-Pflicht für Beschäftigte?
Viele Arbeitnehmende fragen sich, ob Dienstreisen verlangt werden können. Ob eine Dienstreise-Pflicht besteht, um eine Arbeit an einem anderen Ort zu erbringen, regelt der Arbeitsvertrag. Enthält dieser eine Klausel, nach welcher Dienstreisen zu den Aufgaben des Arbeitnehmers gehören, sind diese auch anzutreten.
Wenn eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag fehlt, kann der Arbeitgeber diese im Rahmen seines Direktionsrechts i.S.d. § 106 Gewerbeordnung anordnen. Verweigern Beschäftigte den Antritt einer Dienstreise kann dies im schlechtesten Fall zu einer Abmahnung oder Kündigung führen.
Voraussetzung: Die Dienstreise passt zu dem vertraglich geregelten Aufgabenbereich des Mitarbeitenden und der Umfang der Geschäftsreise ist für diesen zumutbar. Letzteres ist beispielsweise der Fall, wenn die Reise zwischen 06:00 Uhr angetreten und um 24:00 Uhr beendet werden kann.
Dürfen auch Dienstreisen ins Ausland angeordnet werden?
Ob eine Dienstreise in das Ausland zulässig ist, kommt auf Berufsbild und Tätigkeitsprofil der angestellten Person an. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg bestätigte in einem konkreten Fall (4 Sa 3/17), dass der betreffende angestellte Ingenieur ins Ausland entsendet werden dürfe, da der Gebrauch des Weisungsrechts des Unternehmens hier rechtens sei.
Seit der Corona-Pandemie fragen sich viele Angestellte, ob eine Dienstreise insbesondere ins Ausland rechtens und vertretbar ist. Grundsätzlich darf der Arbeitgebende das Weisungsrecht nach „billigem Ermessen“ ausüben. Allerdings haben Arbeitgebende auch eine Fürsorgepflicht gegenüber den Angestellten. Darf deshalb eine Dienstreise verweigert werden? Ja, wenn zu erwarten ist, dass in der Region eine erhebliche gesundheitliche Gefährdung vorliegt. Dies kann der Fall sein, wenn eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts vorliegt. Eine pauschale Regelung gibt es jedoch nicht, da es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt.
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Was gilt als Arbeitszeit bei Dienstreisen?
Das Arbeiten am Dienstortwährend der Arbeitszeit gilt selbstverständlich als vergütete Arbeitszeit laut dem Arbeitszeitgesetz. Der Aufenthalt vor Ort nach der Arbeit wird dagegen als Ruhezeit gewertete. Dazu zählt zum Beispiel die Übernachtung im Hotel oder das Abendessen nach dem geschäftlichen Termin. Es sei denn, der Arbeitgebende ordnet Arbeit an – dies würde wiederum zur Arbeitszeit zählen.
Schwieriger ist es, die Ab- und Anreise zum Dienstort einzuordnen. Hier ist es entscheidend, ob die Reise innerhalb oder außerhalb der regulären Arbeitszeit stattfindet.
Reisezeit = Arbeitszeit: Wann gilt die An- und Abreise als Arbeitszeit?
Ob die Reisezeit als Arbeitszeit gilt, wird viel diskutiert. Wird die eigentliche Zeit, die man im Flugzeug oder in der Bahn sitzt, um an das Ziel zu gelangen als Arbeitszeit gezählt? Die Antwort lautet: Ja, wenn während der regulären Arbeitszeit gereist wird – das gilt auch, wenn Angestellte in dieser Zeit nicht aktiv arbeiten.
Findet die Dienstreise außerhalb der regulären Arbeitszeit statt, kommt es darauf an, ob Vorgaben vom Arbeitgebenden während der Reisezeit existieren. Erledigen Angestellte während einer Fahrt oder eines Fluges Arbeit, die der Arbeitgebende angeordnet hat, liegt eine Arbeitszeit vor, die vergütet werden muss. Gibt es keine Vorgaben vom Arbeitgebenden, gilt die Beanspruchungstheorie des Bundesarbeitsgerichts. Laut dieser Rechtsprechung gilt die Reisezeit nicht als Arbeitszeit, weil Angestellte nicht verpflichtet sind, während der Reise zu arbeiten. In diesem Fall würde es sich um eine Ruhezeit handeln. Ein entsprechendes Urteil hat das Bundesarbeitsgericht gefällt (Az.: 9 AZR 510/05).
Eine Ausnahme gibt es jedoch: Fahren Angestellte mit dem eigenen PKW zu einem geschäftlichen Termin, zählt die Wegzeit als Arbeitszeit, da sich der Mitarbeiter durchgehend auf den Verkehr konzentrieren muss und somit die (abstrakte) Erholungsmöglichkeit fehlt. Dies gilt allerdings in diesem Fall nicht für den Beifahrer.
Ist ein Geschäftsessen Arbeitszeit?
Die Frage, ob ein Geschäftsessen mit einem Kunden oder Geschäftspartner als Arbeitszeit zählt, kann nicht pauschal beantwortet werden.
Beispiel: Bespricht eine Angestellte während des Essens auch Dienstliches, ist das Geschäftsessen im Interesse des Arbeitgebenden – und demnach als Arbeitszeit zu werten, die vergütet werden muss. Isst die Mitarbeiterin jedoch aus reinem Privatvergnügen oder zur Kontaktpflege mit einem Kunden oder Geschäftspartner, zählt das Essen nicht zur Arbeitszeit.
Ausnahme: Der Arbeits- oder Tarifvertrag enthält eine Klausel, nach welcher Geschäftsessen grundsätzlich vergütet werden. In diesem Fall zählen sie zur Arbeitszeit.
Überstunden bei Dienstreisen: Wie werden diese abgegolten?
Für den Umgang mit Überstunden, während einer Dienstreise, gilt das Gleiche wie für Überstunden, die im normalen Arbeitsalltag gesammelt wurden. Überstunden bei Dienstreisen werden – je nach Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung – vergütet oder als Freizeitausgleich abgegolten.
Zum Schutz der Angestellten gibt es bei den einzelvertraglichen Regelungen jedoch Grenzen. So ist eine Regelung unwirksam, nach welcher Überstunden überhaupt nicht vergütet oder mit dem Arbeitslohn abgegolten sind. Zudem ist eine pauschale Vergütung unzulässig, sofern diese nicht eindeutig beziffert, welche Arbeitsleistungen im Rahmen der Überstunden erfasst werden.
Jetzt mehr zum Thema Überstunden in unserem Blog-Beitrag „Überstunden gemacht – So wird Mehrarbeit vergütet“ erfahren.
Wer zahlt die Dienstreise?
Wer beruflich reist, verursacht Kosten. Doch welche Kosten können Angestellte vom Arbeitgebenden zurückverlangen und was muss bei der Reisekostenabrechnung beachtet werden? Diese und weitere Fragen beantwortet unser Beitrag „Reisekostenabrechnung für Dienstreisen – Verpflegungs- und Fahrtkosten abrechnen“
Grundsätzlich gilt: Angestellte haben keinen gesetzlichen Anspruch auf ein Einzelzimmer.
Viele Arbeitnehmer sammeln auf ihren Geschäftsreisen Flugmeilen. Diese führen durch verschiedene Bonus-Programme der Fluggesellschaften zu Kostenvorteilen. Wer diesen Kostenvorteil nutzen darf, hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 11. April 2006 (Az.: 9 AZR 500/05) entschieden. Demnach bestimmt der Arbeitsvertrag, ob die Flugmeilen dem Arbeitgeber oder -nehmer zustehen.
Enthält dieser keine explizite Klausel, stehen die Bonusmeilen dem Arbeitgeber zu, da die Geschäftsreisen üblicherweise in dessen Auftrag und auf dessen Kosten durchgeführt werden.
Haben Bus oder Bahn Verspätung, erhalten Reisende häufig eine Entschädigung. Ob diese dem Arbeitnehmer – also dem Reisenden selbst – oder seinem Arbeitgeber zusteht, hängt vom Arbeitsvertrag, der Betriebsvereinbarung bzw. dem Tarifvertrag ab. Viele Unternehmen regeln explizit, dass etwaige Entschädigungen an den Arbeitgeber abgetreten werden müssen. Behält der Arbeitnehmer eine Entschädigung trotz einer entsprechenden Klausel im Arbeitsvertrag ein, stellt dies eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten dar, welche je nach Schwere arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zu einer Kündigung rechtfertigt.
Fehlt eine arbeitsvertragliche Klausel, welche die Weiterleitung von Entschädigungen an den Arbeitgeber vorsieht, sieht die EU-Verordnung EG 1371/2007 den Arbeitnehmer (also den Reisenden) als Empfänger der Auszahlung vor.
Der gesetzliche Unfallschutz besteht für Angestellte bei dienstlich veranlassten Wegen und Tätigkeiten – also auch bei einer Dienstreise. Dieser gilt jedoch nicht bei privaten Tätigkeiten. Verunfallt der Arbeitnehmer auf seiner Dienstreise während eines Spazierganges, bei der Übernachtung im Hotelzimmer oder beim abendlichen Bier an der Hotelbar, greift der gesetzliche Unfallschutz nicht. Ein entsprechendes Urteil hat das Sozialgericht Frankfurt im Jahr 2017 gefällt (Az.: S 8 U 47/16).
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