11.07.2023

Aufsichtspflicht: Diese Regelungen gelten für Eltern

Um Kinder, insbesondere minderjährige Kinder, umfassend zu schützen, existiert in Deutschland die sogenannte Aufsichtspflicht. Für wen sie gilt, welche Bereiche sie umfasst und wer im Falle eines durch Kinder verursachten Schaden haftet, erläutert dieser Artikel.

 Was ist die Aufsichtspflicht? Definition

Die Aufsichtspflicht ist ein Teil der Personensorge, die ihrerseits zum Sorgerecht gehört. Geregelt ist die Aufsichtspflicht u.a. in § 1631 Abs. 1 BGB. Darin heißt es:

„Die Personensorge umfasst die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen.“

Aufsichtspflichtig sind die Personen, die per Gesetz oder aufgrund eines Vertrages zur Personensorge berechtigt und verpflichtet sind. Dies sind – auf Grundlage des § 1626 Abs. 1 BGB - üblicherweise die Eltern eines Kindes. Sie sind für das Wohlergehen und die Sicherheit verantwortlich, und zwar bis zu dessen Volljährigkeit. Die Aufsichtspflicht kann in Einzelfällen jedoch auch nach der Volljährigkeit bestehen, beispielsweise bei geistig beeinträchtigten oder körperbehinderten Kindern.

Elterliche Aufsichtspflicht: Was beinhaltet sie?

Die notwendige Intensität der Aufsicht hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem von:

  • dem Alter des Kindes
  • dem Reifezustand des Kindes
  • dem Charakter des Kindes
  • dem Erfahrungsstand des Kindes

 

Grundsätzlich lassen sich folgende Inhalte unter dem Begriff der Aufsichtspflicht zusammenfassen:

  1. Aufsichtspflichtige Personen dürfen keine Gefahren verursachen
    Sie müssen vorausschauend handeln und Risiken für das Kind so weit wie möglich im Vorwege erkennen und vermeiden.
     
  2. Aufsichtspflichtige Personen müssen existierende Gefahren vermeiden, verringern oder abwehren
    Aufsichtspflichtige müssen Gefahrensituationen so gut wie möglich beseitigen und potentielle Gefahrenherde im Vorwege umgehen.
     
  3. Aufsichtspflichtige müssen Kindern mögliche Gefahren und deren Folgen aufzeigen
    Kinder sollen verstehen, welche Gefahrenquellen im Umfeld vorhanden sind und wie sie sich richtig verhalten. Für diese Form der Aufklärung sind aufsichtspflichtige Personen verantwortlich.
     
  4. Aufsichtspflichtige müssen sicherstellen, dass Kinder Warnungen und Verbote einhalten, und ggf. eingreifen
    Kinder müssen regelmäßig auf Warnungen und Verbote hingewiesen werden. Befolgt ein Kind die Anweisungen einer aufsichtspflichtigen Person nicht und bringt es sich auf diese Weise in Gefahr, ist die aufsichtspflichtige Person verpflichtet, einzugreifen.

Aufsichtspflichtverletzung: Wann gilt die Aufsichtspflicht als verletzt?

Eine Verletzung der Aufsichtspflicht ist gegeben, wenn die aufsichtspflichtige Person ihrer Pflicht nachweislich nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist. Für Schäden, die während der Aufsichtszeit entstanden sind oder Dritten zugefügt wurden, haftet gem. § 832 BGB die aufsichtspflichtige Person.

Ausnahme: Kann die aufsichtspflichtige Person nachweisen, dass der Schaden eingetreten ist, obwohl die Aufsichtspflicht nicht verletzt wurde oder der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde, haftet sie nicht für entstandene Schäden.

Haften Kinder für Schäden?

Bis zu einem Alter von 7 Jahren haften Kinder gem. § 828 BGB nicht. Im Straßenverkehr gilt diese Regelung sogar bis zu einem Alter von 10 Jahren.

Kinder, die älter als 7 Jahre sind, können jedoch für einen verursachten Schaden haften. Der Haftungsgrad richtet sich nach der Einsichtsfähigkeit des Kindes. Hier gilt: Je älter das Kind, desto eher haftet es selbst.

Zwar haben Kinder in der Regel kein Geld, um verursachte Schäden zu begleichen. Gem. § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB sind sie jedoch bis zu 30 Jahre lang schadenersatzpflichtig – frühestens bei Bezug eines eigenen Einkommens.

Verletzung der Aufsichtspflicht mit Kindeswohlgefährdung

Führt die Verletzung der Aufsichtspflicht zu einer vorhersehbaren sowie erheblichen körperlichen oder geistig-seelischen Beeinträchtigung des Kindes, droht eine Strafe wegen Kindeswohlgefährdung. Dies gilt auch für Fälle, in denen das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes lediglich gefährdet ist.

Bestätigt sich der Verdacht einer Kindeswohlgefährdung, beschließt das zuständige Familiengericht ggf. geeignete Maßnahmen. So können Eltern gem. § 1666 BGB zur Teilnahme an Hilfsangeboten verpflichtet werden. In schweren Fällen droht sogar die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

Fallbeispiele für Verletzungen der Aufsichtspflicht

  • Der 5-jährige Max spielt stundenlang unbeaufsichtigt im Garten seiner Eltern und wird dabei vom Familienhund gebissen.
  • Die 6-jährige Maria fällt während eines Spazierganges mit ihren Eltern in eine Baugrube. Die Eltern hatten die Baustelle – trotz Warnschilder – nicht bemerkt, da sie mit ihrem Smartphone beschäftigt waren.
  • Der 9-jährige Paul darf ohne Belehrung über Regeln und Gefahren selbstständig das Fahrrad benutzen

 

Keine Aufsichtspflichtverletzung liegt dagegen vor, wenn man:

  • ein 11-jähriges, normal entwickeltes Kind alleine in der Wohnung lässt,
  • ein normal entwickeltes Kind im Alter von 8-9 Jahren ohne Aufsicht im Freien spielen lässt, oder
  • einen 16-jährigen Jugendlichen nach vorheriger Aufklärung alleine reisen lässt.

 

Lese-Tipp: Wann Kinder für Reisen eine Vollmacht der Eltern benötigen, klärt unser Artikel zum Thema Alleinreisendes Kind.

Wer hat wem gegenüber eine Aufsichtspflicht?

Aufsichtspflicht bei

gegenüber

Personensorgeberechtigten (z.B. Eltern)

Kindern

Pflegeeltern

Pflegekindern

Vormunde und betreuende Personen

Mündeln

Erzieherisches Personal/Lehrpersonal

Kindern/Schulkindern

Ausbilderinnen und Ausbilder

minderjährigen Auszubildenden

Betreuende Person einer Jugendgruppe

Kinder/Jugendliche

Wichtig: Wem die Aufsichtspflicht von einer personensorgeberechtigten Person übertragen wurde, der darf sie nicht an einen weiteren Dritten übertragen. Lediglich in Fällen, in denen eine Institutionen per Vertrag mit der Aufsichtspflicht betraut wurde, darf sie an eine Person aus der betreffenden Einrichtung delegiert werden.

Aufsichtspflicht übertragen an eine Begleitperson oder Aufsicht

Eltern können die Aufsichtspflicht auf Dritte übertragen. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn mit einer Kita, einem Babysitter oder einer Babysitterin ein Vertrag geschlossen oder das Kind in der Schule angemeldet wird.

Eine Übertragung der Aufsichtspflicht ist auch mündlich möglich. Beispielsweise, wenn Eltern ihr Kind für einen gewissen Zeitraum den Großeltern anvertrauen.

Gilt die elterliche Aufsichtspflicht auf Spielplätzen und an Schulen?

Grundsätzlich gilt die elterliche Aufsichtspflicht auch auf Spielplätzen. Wie sehr die Kinder beaufsichtigt werden müssen, hängt von deren Alter und Entwicklungsstand ab. So sind Kinder unter 3 Jahren dauerhaft zu beobachten, während bei Kindern über 3 Jahren eine gelockerte Beaufsichtigung zulässig ist.

An Schulen sind das Lehrpersonal und andere Betreuungspersonen mit der Aufsichtspflicht betraut. Das bedeutet: Die entsprechenden Personen müssen vorausschauend und aufmerksam handeln, die Kinder über mögliche Gefahren aufklären und das richtige Handeln erläutern.

Die Aufsichtspflicht des Lehrpersonals gilt sowohl auf dem Schulgelände als auch an Orten schulischer Veranstaltungen sowie auf außerschulischen Veranstaltungen (Klassenfahrten, Wandertage). Auf dem Schulweg bzw. auf dem Weg zu einer von der Schule ausgerichteten Veranstaltung obliegt die Aufsichtspflicht jedoch den Eltern.

Mehr Informationen über die elterliche Aufsichtspflicht, wenn das Kind online Verträge abschließt.

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