28.05.2020 – zuletzt aktualisiert am: 18.09.2023
Pflegezeit beantragen: Definition und Voraussetzungen
Ein Pflegefall in der Familie kann von einem Tag auf den anderen eintreten. Pflegende Angehörige haben dann alle Hände voll zu tun – vor allem, wenn sie berufstätig sind. Um eine angemessene Pflege in der häuslichen Umgebung zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber die Pflegezeit geschaffen. Diese ermöglicht Arbeitnehmenden die Freistellung zur Pflege Angehöriger.
Doch welche Voraussetzungen müssen für diese gegeben sein? Wer hat Anspruch auf Pflegezeit, wie lange dauert sie und wie sieht es mit den Sozialversicherungsbeiträgen während der Pflegezeit aus? In diesem Artikel findet man die wichtigsten Infos zum Thema Pflegezeit beantragen.
Das Wichtigste zur Pflegezeitbeantragung in Kürze
- Die Pflegezeit ist auf maximal sechs Monate begrenzt.
- Man muss einen nahen Angehörigen zu Hause betreuen und in einem Unternehmen arbeiten, das mindestens 15 Beschäftigte hat.
- Unter bestimmten Bedingungen ist eine Verlängerung der Pflegezeit möglich.
Pflegezeit: Voraussetzungen für den Antrag
Das Pflegezeitgesetz ist seit dem 1. Januar 2015 in Kraft und erlaubt es Berufstätigen, sich unter bestimmten Bedingungen für die häusliche Pflege von nahen Angehörigen freistellen zu lassen. Die gesetzliche Grundlage für die Pflegezeit für Angehörige bildet der § 3 PflegeZG.
Voraussetzungen, um Pflegezeit zu beantragen sind:
- Ein naher Verwandter wird von zu Hause betreut.
- Man verfügt über ein Dokument, welches die Pflegebedürftigkeit des Verwandten durch die Pflegekasse oder durch den medizinischen Dienst (MDK) nachweist.
- Man hat seiner Arbeitsstelle mindestens 10 Tage vor Pflegebeginn schriftlich mitgeteilt, dass man Pflegezeit in Anspruch nimmt. Der Zeitraum der Pflegezeit oder der Umfang der teilweisen Freistellung ist dabei mitzuteilen.
- Die Arbeitsstelle beschäftigt mindestens 15 Personen.
Wer hat Anspruch auf Pflegezeit?
Der Anspruch auf Pflegezeit setzt per Gesetz die häusliche Pflege eines nahen Angehörigen voraus. Als nahe Angehörige gelten:
- Eltern, Großeltern, Schwiegereltern und Stiefeltern
- Ehe- und Lebenspartnerschaften, Partnerschaften ehe- oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaften
- Geschwister, Schwägerinnen/Schwäger
- Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder, Schwiegersohn oder -tochter sowie Enkelkinder
Test: Wird eine Pflegezeit für Angehörige gewährt?
Eine kurzfristige Pflegezeit stellt kein Hindernis dar, sofern alle Voraussetzungen erfüllt werden und das Vorhaben rechtzeitig dem Betrieb mitgeteilt wird.
Mit diesem Test kann ermittelt werden, ob die Voraussetzungen für die Pflegezeit erfüllt werden:
- Wird ein naher Angehöriger oder nahe Angehörige gepflegt?
- Wird die Pflege im häuslichen Umfeld von einem selbst sichergestellt?
- Wurde eine Bescheinigung der Pflegekasse oder des medizinischen Dienstes (MDK) über die Pflegebedürftigkeit des Angehörigen ausgestellt?
- Wurde die Pflegezeit innerhalb einer Frist von 10 Tagen schriftlich beim Betrieb eingereicht?
- Beschäftigt das Unternehmen mindestens 15 Personen?
Dauer der Pflegezeit: Wie lange kann man sich freistellen lassen?
Für die Pflege von Angehörigen kann die Freistellung maximal sechs Monate umfassen. Eine Aufteilung in mehrere, voneinander getrennte Abschnitte sieht der Gesetzgeber nicht vor – die Pflegezeit kann nur zusammenhängend in Anspruch genommen werden. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (Az.: 9 AZR 348/10) ist mit der erstmaligen Inanspruchnahme ein weiterer Anspruch auf Pflegezeit erloschen.
Jedoch ist eine Verlängerung der Freistellung für die Pflege möglich, sofern das Unternehmen dem zustimmt und die Verlängerung unmittelbar an den ersten Abschnitt der Pflegezeit anschließt.
Pflegezeit vs. Familienpflegezeit: Unterschied in der Länge und Arbeitsstunden
Bei beiden Modellen sind die Grundvoraussetzungen fast gleich. Die Familienpflegezeit erstreckt sich jedoch über 24 Monate. Dabei ist zu beachten, dass man als Arbeitnehmende oder Arbeitnehmender weiterhin mindestens 15 Stunden wöchentlich arbeiten muss. Das bedeutet, man ist seinem Betrieb nach wie vor für eine
Vorzeitiges Ende der Pflegezeit
Die Pflegezeit wird vier Wochen nach einer Veränderung der Situation beendet, etwa wenn der zu Pflegende keine Betreuung mehr benötigt oder wenn die Pflege zu Hause nicht mehr realisierbar oder angemessen ist. Gründe hierfür könnten der Tod der pflegebedürftigen Person, ihre stationäre Aufnahme oder mangelnde finanzielle Ressourcen für die Pflege sein.
Das Unternehmen muss sofort über das Ende der Pflegezeit informiert werden. Wenn es andere, weniger gravierende Gründe für den Wunsch nach Beendigung der Pflegezeit gibt, hängt dies von der Zustimmung des Betriebs ab.
Verlängerung der Pflegezeit beantragen
Wenn das Unternehmen einverstanden ist und die Verlängerung direkt an den ursprünglichen Zeitraum anschließt, kann eine zuvor kürzer beanspruchte Pflegezeit bis zu einem Maximum von 6 Monaten ausgedehnt werden. Ein Grund für eine solche Verlängerung könnte beispielsweise sein, dass eine der Pflegepersonen die Pflege zum geplanten Zeitpunkt nicht übernehmen kann.
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Sonderfall: Verlängerung bei Sterbebegleitung
Im Fall der Sterbebegleitung kann die Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz um bis zu 3 Monate verlängert werden – auch dann, wenn der oder die Sterbende in einem Hospiz der einer ähnlichen Einrichtung lebt. Es ist zudem nicht erforderlich, dass die Begleitung in der letzten Lebensphase direkt an eine zuvor in Anspruch genommene Pflegezeit folgt, wie es bei einer Verknüpfung von Pflegezeit und Familienpflegezeit der Fall wäre.
Eine Einstufung in einen Pflegegrad gemäß § 11 SGB und die damit einhergehende Pflegebedürftigkeit sind nicht zwingend für diesen Anspruch. Arbeitnehmende, die sich für diese Freistellung entscheiden, müssen ihrem Betrieb dafür ein ärztliches Attest vorlegen, welches die begrenzte Lebenserwartung des betreffenden Angehörigen bestätigt.
Hinweis: Obwohl die Freistellung für die Sterbebegleitung unabhängig von der Pflegezeit und Familienpflegezeit in Anspruch genommen werden kann, wird sie dennoch auf den maximalen Leistungszeitraum von 24 Monaten, der für beide Leistungen gilt, angerechnet.
Alternative zur Pflegezeit: Kurzzeitige Arbeitsverhinderung wegen Pflege
Pflegende Angehörige können sich spontan bis zu zehn Tage von der Arbeit freistellen lassen, wenn sie Zeit für die Bewältigung einer akut aufgetretenen Pflegesituation benötigen. Die gesetzliche Grundlage zu dieser sogenannten „kurzzeitigen Arbeitsverhinderung“ bildet der § 2 PflegeZG. Die zehn Tage müssen jedoch nicht am Stück genommen werden. Der Gesetzgeber erlaubt die Aufteilung auf mehrere, getrennte Tage.
Hinweis: Wird eine weitere angehörige Person pflegebedürftig, haben Angestellte erneut die Möglichkeit, sich für zehn Tage freistellen zu lassen.
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Pflegeunterstützungsgeld und Sozialversicherung
In der Regel wird während der Pflegezeit kein Gehalt ausgezahlt. Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung kann jedoch für diesen Zeitraum beantragt werden. Die richtige Anlaufstelle dafür ist die Pflegekasse der pflegebedürftigen Person. Für die Beantragung wird eine ärztliche Bescheinigung benötigt. Das Pflegeunterstützungsgeld beträgt 90 % des verlorenen Nettoarbeitslohns. Dabei bleiben Einmalzahlungen außer Acht.
Außerdem wird während der Pflegezeit ausreichender sozialer Schutz gewährleistet. Es werden gewisse Beiträge für die Unfallversicherung und Rentenversicherung von der Pflegekasse übernommen.
Die Pflegeversicherung führt die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge an folgende Versicherungen ab:
- Unfallversicherung
- Rentenversicherung (die Beitragshöhe richtet sich nach dem Pflegegrad des Pflegebedürftigen)
- Kranken- und Pflegeversicherung
Hinsichtlich der Rentenversicherung wird die Beitragshöhe durch den Pflegegrad der pflegebedürftigen Person bestimmt. Pflegepersonen, die einen oder mehrere Pflegebedürftige mit Pflegegrad 2 oder höher für mindestens zehn Stunden pro Woche in der häuslichen Umgebung pflegen und das nicht erwerbstätig tun, können sich zusätzlich freiwillig in der Arbeitslosenversicherung versichern.
Noch mehr Infos zu den finanziellen Unterstützungen, Rente und den Leistungen während der Pflegezeit findet man im Beitrag über Pflege von Angehörigen.
Zinsloses Darlehen: Was steht pflegenden Angehörigen zu?
Um finanzielle Engpässe während der Pflegezeit zu vermeiden, haben pflegende Angehörige einen Anspruch auf ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Die Höhe des Darlehens beträgt die Hälfte des ausgefallenen, durchschnittlichen Nettolohns.
Bei der Kalkulation wird höchstens eine angenommene Arbeitszeit von 15 Stunden pro Woche berücksichtigt – selbst wenn eine komplette Freistellung vorliegt. Das geliehene Geld muss entweder nach Abschluss der Auszahlungsphase oder nach Beendigung der Freistellungsperiode zurückgeführt werden. Eine Aufschiebung der Zahlung ist lediglich in Ausnahmesituationen, wie etwa beim Empfang von Bürgergeld, zulässig.
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