17.12.2018 – zuletzt aktualisiert am: 27.04.2022
Privatinsolvenz: Alles, was Schuldner wissen müssen!
Endlich wieder schuldenfrei und wirtschaftlich neu anfangen? Eine Privatinsolvenz, auch als Verbraucherinsolvenz bekannt, macht es möglich. Denn Schulden, die einem buchstäblich über den Kopf wachsen und nicht mehr aus eigener Kraft zu tilgen sind, gehen oft an die Substanz. Aber was ist eine Privatinsolvenz überhaupt? Welche Vor- und Nachteile ergeben sich für den Schuldner und wie läuft eine Privatinsolvenz genau ab? Diese und viele weitere wichtige Fragen rund um die Insolvenz beantwortet dieser Beitrag.
Was bedeutet Privatinsolvenz?
Steigen die Schulden und Zinsen in die Höhe, kann eine Privatinsolvenz der Ausweg sein, sich von dieser finanziellen Last zu befreien. Mit einer Verbraucherinsolvenz werden die Schulden gelöscht, obwohl diese nicht vollständig beglichen worden sind. Offiziell nennt sich dieser Vorgang Restschuldbefreiung. Für diese müssen allerdings gewisse Voraussetzungen erfüllt werden, die in der Insolvenzordnung (InsO), insbesondere ab § 304, geregelt sind.
Wer kann Privatinsolvenz anmelden?
Laut Gesetz bzw. § 304 InsO kann jede Privatperson eine Privatinsolvenz anmelden, sofern keine selbständig wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird. Für Selbstständige gilt das Verfahren der Regelinsolvenz. Zudem müssen folgende Voraussetzungen für eine Privatinsolvenz gegeben sein:
- die Schulden können mit dem aktuellen Einkommen nicht beglichen werden.
- ehemalige Selbstständige dürfen nicht mehr als 19 Gläubiger haben.
Schon gewusst? Wer schon einmal eine Privatinsolvenz beantragt hat, muss eine Sperrfrist von 10 Jahren einhalten, bevor sie erneut beantragt werden darf.
Wie lange dauert eine Privatinsolvenz ab 2021?
Am 16. Juli 2019 beschloss die EU eine Richtlinie über das Insolvenz- und Entschuldungsverfahren, die in Deutschland seit dem 1. Januar 2021 umgesetzt wird: Gem. der reformierten Fassung der Insolvenzordnung (InsO), dauert das Insolvenzverfahren nur noch drei Jahre anstatt bis zu sechs Jahren.
Diese Reform gilt sogar rückwirkend: Die drei Jahre gelten im Hinblick auf Privatinsolvenzverfahren für alle verschuldeten Personen, die ab dem 01. Oktober 2020 Privatinsolvenz beantragt haben.
Gut zu wissen: Für alle Anträge zwischen dem 17. Dezember 2019 und dem 30. September 2020 gilt eine Übergangsregelung. Insolvenzverfahren aus diesem Zeitraum können verkürzt werden, und zwar um den Zeitraum, der seit dem EU-Beschluss im Juli 2019 vergangen war.
Beispiel: Eine verschuldete Person hat am 1. Februar 2020 Privatinsolvenz beantragt. Das Verfahren verkürzt sich demnach um sechs Monate, dauert also nur fünf Jahre und sechs Monate.
Vor- und Nachteile einer Privatinsolvenz im Überblick
Ob eine Privatinsolvenz der richtige Weg aus der Überschuldung ist, sollte intensiv überlegt werden. Hat man sie einmal angeschoben, gibt es keinen Weg zurück. Bei Unsicherheit sollte eine Schuldnerberatung konsultiert werden.
Vorteile:
| Nachteile:
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Wann lohnt sich eine Privatinsolvenz?
Eine Verbraucherinsolvenz kann sinnvoll sein, wenn man finanziellen Forderungen nicht mehr nachkommen kann und/oder folgende Umstände vorliegen:
- Die Überschuldung ist für die Privatperson nicht mehr zu stemmen.
- Die Schuldnerberatung hatte keinen Erfolg.
- Die Gläubiger reichen Zahlungsklagen ein.
- Die Gläubiger eröffnen Mahnverfahren.
- Die außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern war erfolglos.
Wann macht eine Privatinsolvenz keinen Sinn?
Die verschuldete Person sollte sich darüber im Klaren sein, dass eine Privatinsolvenz nicht greift, wenn die Schulden aus einer deliktischen Forderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung zum Beispiel einer Straftat wie Körperverletzung oder Betrug resultieren. Ist der Schuldner gerichtlich dazu verurteilt worden, ein hohes Schmerzensgeld oder sogar eine lebenslange Rente an den oder die Geschädigten zu zahlen, kann dieser hiervon auch durch eine Restschuldbefreiung nach der Privatinsolvenz nicht entbunden werden.
Haften Ehe- oder Lebenspartner/in bei einer Privatinsolvenz?
Nein, ein/e Ehe- oder Lebenspartner/in muss nicht für die Schulden aufkommen, die der Partner oder die Partnerin verursacht hat, sofern keine Eintragung als Bürge vorliegt. Bei der/dem Ehe- oder Lebenspartner/in darf demnach nichts gepfändet werden.
Eine Ausnahme besteht, wenn beide einen gemeinsamen Vertrag abgeschlossen haben. In diesem Fall müssen beide für die Verbindlichkeiten aufkommen.
Privatinsolvenz-Ablauf einfach erklärt: So läuft die Verbraucherinsolvenz ab
Wer die Schritte der Privatinsolvenz gehen möchte, steht zunächst vor vielen Herausfordernden, die gemeistert werden müssen. Das Insolvenzverfahren besteht aus sechs Stufen, die allerdings nicht alle zwingend gegangen werden müssen. Eine Unterstützung durch eine Schuldenberatungoder eine anwaltliche Beratung ist in jedem Falle hilfreich.
1. Außergerichtliche Einigung versuchen
Vor dem eigentlichen Insolvenzverfahren findet der Versuch einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern mittels eines vorab erstellten Schuldenbereinigungsplans durch eine Schuldnerberatung oder einen Rechtsbeistand statt. Dieser Plan ist gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung verpflichtend.
Hierfür werden alle Schulden ermittelt, was mühsam sein kann, aber den ersten Schritt für ein schuldenfreies Leben bedeutet. Hilfreich für die Erstellung ist es, einen Ordner mit allen Unterlagen zu erstellen, um einen schnellen Überblick über die Schulden und Einnahmen zu erhalten.
Im nächsten Schritt werden alle Gläubiger angeschrieben, um Lösungen herbeizuführen, mit denen alle einverstanden sind.
2. Antrag auf Privatinsolvenz stellen
Scheitert der Versuch einer außergerichtlichen Lösung, wird beim Insolvenzgericht der Antrag auf Privatinsolvenz gestellt. Dafür wird eine Bescheinigung von der Schuldenberatung oder einem Anwalt bzw. einer Anwältin benötigt.
Hier wird anhand des Schuldenbereinigungsplans noch einmal geprüft, ob nicht doch eine außergerichtliche Lösung der Schuldentilgung möglich ist.
3. Insolvenzverfahren eröffnen
Ist keine Einigung in Sicht, wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Dafür muss seit April 2021 ein neues Antragsformular durchgearbeitet werden, das 45 Seiten umfasst. Ziel ist es, ein Verzeichnis über das Vermögen der verschuldeten Person sowie eine Liste mit allen Gläubigern und Schulden zu erstellen. Ein Anwalt für Insolvenzverfahren kann bei dem Antrag eine große Unterstützung sein, da bei einem Fehler im Antrag das Insolvenzverfahren abgelehnt werden kann.
Anschließend prüft das Gericht, ob die Verfahrenskosten gedeckt sind – wenn nicht, kann ein Antragauf Stundung der Verfahrenskosten gestellt werden. Dies hat den Vorteil, dass Gerichtskosten und Treuhand-Kosten in Raten nach dem Ende des Verfahrens bezahlt werden können.
4. Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren
Wird der Antrag vom Gericht genehmigt, wird erneut ein Schuldenbereinigungsverfahren eingeleitet. Lehnen die Gläubiger den Plan zur Schuldenbereinigung erneut ab, beginnt das eigentliche Insolvenzverfahren.
5. Insolvenzverfahren und Wohlverhaltensphase
Nachdem das Insolvenzverfahren eröffnet ist, wird eine treuhändisch beauftragte Person bestimmt, die der Schuldner gemäß (§ 288 InsO) auch selbst vorschlagen kann. Diese Person verwaltet das Vermögen als auch die Schulden und versucht das Vermögen zu verwerten. Doch was gehört zur Insolvenzmasse, die gepfändet werden kann?
Über einen Zeitraum von drei Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens werden nach bestimmten Kriterien Schulden beglichen. Dieser Zeitraum nennt sich laut (§ 287 Abs. 2 InsO) Wohlverhaltensphase oder auch Abtretungsfrist, weil der pfändbare Teil des Einkommens an die treuhändische Person abgetreten werden muss.
Alles, was über dem unpfändbaren Teil des Einkommens liegt, wird zur Abzahlung dieser Schulden herangezogen. Ein Teil des Netto-Einkommens darf vom Insolvenzverwalter bzw. der Insolvenzverwalterin nicht zur Tilgung verwendet werden. Die Pfändungsfreigrenze für Arbeitseinkommen beträgt seit dem 1. Juli 2021 mindestens 1.252,64 Euro monatlich netto. Unterhaltsverpflichtungen werden hierbei berücksichtigt – je nach Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen erhöht sich der Pfändungsbeitrag.
Wichtiger Hinweis: In dieser Zeitspanne dürfen keine neuen und unangemessenen Schulden verursacht werden, da das Gericht sonst die Restschuldbefreiung verbieten kann.
Wer in der Abtretungsfrist bzw. Wohlverhaltensphase erbt, muss gemäß § 295 Nr. 2 InsO die Hälfte des Erbes an den Insolvenzverwalter abgeben. Ein Gewinn in einer Lotterie, Ausspielung oder einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit muss komplett herausgegeben werden.
Ändern sich die Einkommens-und Vermögensverhältnisse innerhalb der Wohlverhaltensphase,besteht die Möglichkeitin eine erneute Verhandlung mit den Gläubigern zu gehen, um die Insolvenz vorzeitig zu beenden.
Schon gewusst? Eine Privatinsolvenz ist öffentlich einsehbar über das Portal der Insolvenzbekanntmachungen.
6. Abschluss der Privatinsolvenz
Endlich ist es soweit: Nach drei Jahren Insolvenzverfahren entscheidet das Gericht über die Restschuldbefreiung (§ 302 InsO). Seit Oktober 2021 entfällt die Mindestquote, die vorher mindestens 35 Prozent betrug. Zudem müssen nicht mehr die gesamten Verfahrenskosten der letzten drei Jahre beglichen werden. Die Restschuldbefreiung tritt ein, wenn die verschuldete Person sich an folgende Rechten und Pflichten gehalten hat:
- Einer Arbeit wurde nachgekommen oder es wurde sich bei einer Arbeitslosigkeit um Arbeit bemüht
- Es wurden keine weiteren Schulden aufgenommen
- Veränderungen der Lebensumstände wurden der treuhändischen Person mitgeteilt (Jobwechsel, Einkommen, Umzug)
- Über Gewinne wie eine Erbschaft oder Lotteriegewinn wurde informiert
In diesem Fall erlässt das Gericht die restlichen Schulden – der Weg in ein unbeschwertes und schuldenfreies Leben ist damit geebnet!
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