21.11.2022
Reform Erwerbsminderungsrente: Was ab 2024 gilt
Wer nicht mehr oder nur noch wenig arbeiten kann, hat unter Umständen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente. Um betroffene Personen stärker zu unterstützen, hat die Bundesregierung im Juni 2022 eine Reform der Erwerbsminderungsrente beschlossen. Wer von dieser profitiert, wie die Änderungen im Detail aussehen und was Betroffene jetzt tun müssen, erklärt dieser Artikel.
Erwerbsminderungsrente: Definition und Voraussetzungen für einen Anspruch
Kann eine Person aus gesundheitlichen Gründen gar nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten, verringert sich das Einkommen. Die sogenannte Erwerbsminderungsrente soll diesen finanziellen Verlust ausgleichen. Dazu müssen gem. § 43 SGB VI jedoch einige Voraussetzungen erfüllt sein:
- Versicherungsrechtliche Voraussetzungen:
Die betroffene Person hat die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht und war vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens 5 Jahre lang in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. - Medizinische Voraussetzungen:
Die Arbeitsfähigkeit der betroffenen Person wird durch den Rentenversicherungsträger überprüft. Im Anschluss wird untersucht, ob die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt werden kann und (wenn nicht) in welcher Höhe eine Erwerbsminderungsrente in Frage kommt. - Befristung:
Eine Erwerbsminderungsrente wird üblicherweise befristet bewilligt. Lediglich dann, wenn die Arbeitsfähigkeit nicht wiederhergestellt werden kann oder die Arbeitsfähigkeit auf weniger als 3 Stunden pro Tag beschränkt ist, wird die Erwerbsminderungsrente unbefristet bewilligt.
Grundsätzlich gilt: Ein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente besteht nur, solange die Erwerbsminderung andauert. Bessert sich der Gesundheitszustand der betroffenen Person, entfällt dieser Anspruch.
Erwerbsminderungsrente: Reform soll für mehr Fairness sorgen
Bei der Erwerbsminderungsrente wird die Zeit vom Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung bis zu einem bestimmten Lebensalter (die sogenannte Zurechnungszeit) als Rentenzeit anerkannt und mit Entgeltpunkten bewertet.
Das Lebensalter, bis zu welchem diese Zurechnungszeit anerkannt wird, wurde in den vergangenen Jahren mehrfach zugunsten von Personen in Rente erhöht.
- im Jahr 2004 auf das vollendete 60. Lebensjahr
- im Jahr 2014 auf das vollendete 62. Lebensjahr und
- im Jahr 2019 auf das vollendete 65. Lebensjahr
Das Problem: Die Verlängerung der Zurechnungszeit galt stets nur für Rentenneuzugänge. Versicherte Personen, die sich bereits im Rentenbezug befanden, profitierten nicht von der verlängerten Zurechnungszeit. Auf diese Weise entstanden finanzielle Ungleichbehandlungen, die der Gesetzgeber mit der Reform der Erwerbsminderungsrente ab Juli 2024 ausgleichen möchte.
Lese-Tipp: Abschlagsfreie Rente mit 63 – so geht es!
Erhöhung der Erwerbsminderungsrente ab 2024: Die Änderungen im Überblick
Im Rahmen der Erwerbsminderungsrenten-Reform erhalten Personen im Rentenbestand, deren Rentenstart zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 31. Dezember 2018 lag, einen Aufschlag. Die Erhöhung erfolgt in zwei Gruppen:
- Rentenstart zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 30. Juni 2014: 7,5 Prozent.
Beispiel: Herr Meier erhält seit dem 1. April 2005 eine Erwerbsminderungsrente i.H.v. 900 Euro brutto. Durch die Änderung erhält Herr Meier 67,50 Euro mehr.
- Rentenstart zwischen dem 1. Juli 2014 und dem 31. Dezember 2018: 4,5 Prozent.
Beispiel: Frau Müller bezieht seit dem 1. Dezember 2016 eine Erwerbsminderungsrente i.H.v. 900 Euro brutto. Die Erhöhung beläuft sich auf 40,50 Euro.
Verbesserungen auch für Hinterbliebenen- und Erziehungsrente
Die Zurechnungszeit wird bei der Berechnung der Hinterbliebenenrenten (bspw. Witwen- und Witwerrenten sowie Waisenrenten) ebenfalls berücksichtigt und bewertet. Und zwar exakt so wie bei Erwerbsminderungsrenten.
Das bedeutet: Auch bei Hinterbliebenenrenten sowie Erziehungsrenten wird der Abschlag i.H.v. 7,5 bzw. 4,5 Prozent gewährt. Die Zahlung des Zuschlags ist jedoch ausgeschlossen, sofern die verstorbene Person erst nach Vollendung von 65 Lebensjahren und acht Monaten verstorben ist.
Erwerbsminderungsrente: Gilt die Reform auch für die Altersrente?
Für die Berechnung einer Altersrente, die im Anschluss an eine Erwerbsminderungsrente bezogen wird, spielt die Zurechnungszeit ebenfalls eine Rolle. Die Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten datieren bis ins Jahr 2001 zurück. Entsprechend hoch ist die Anzahl der Personen, die sich bereits in einer Altersrente befinden. Aus diesem Grund gilt die Reform der Erwerbsminderungsrente auch für Personen, die:
- ab dem 1. Juli 2024 die o.g. Zuschläge erhalten
- unmittelbar vor der Altersrente eine Erwerbsminderungsrente bezogen haben und
- deren Erwerbsminderungsrente im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 31. Dezember 2018 begonnen hat.
Wissenswert: Wie man Rentenabschläge bei einem frühzeitigen Eintritt in die Altersrente vermeidet, erklärt unser Artikel über die Vorruhestandsregelungen für Arbeitnehmende.
Reform der Erwerbsminderungsrente: Was müssen Betroffene tun?
Mit Inkrafttreten der Erwerbsminderungsrenten-Reform überprüft die Deutsche Rentenversicherung automatisch, wer Anspruch auf den Zuschlag hat. Die Auszahlung erfolgt anschließend automatisch, ein entsprechender Antrag ist nicht erforderlich.
Unser Tipp: Da sich hinter den Rentenberechnungen komplexe Formeln verbergen, sind sie häufig fehleranfällig. Das kann eine finanzielle Benachteiligung zur Folge haben. Aus diesem Grund sollten die Rentenberechnungen zwingend von einem Rentenberater oder -anwalt überprüft werden. Die ALLRECHT Rechtsschutz-Versicherung stellt Betroffenen gerne einen kompetenten Rechtsbeistand zur Seite und sichert Streitigkeiten aus dem Bereich Sozialrecht mit der privaten Rechtsschutzversicherung ab.
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