12.10.2023
Unterhalt nach Scheidung: Welche Ansprüche haben Geschiedene?
Nach einer Scheidung sollten Eheleute für sich selbst sorgen – so will es das Gesetz. Doch es gibt Ausnahmen. In welchen Fällen ein nachehelicher Unterhalt gezahlt werden muss, wie sich die Unterhaltshöhe berechnet und wie lange der Unterhalt nach der Scheidung zu zahlen ist, klärt dieser Artikel.
Unterhalt nach Scheidung: Was ist ein nachehelicher Unterhalt?
Der nacheheliche Unterhalt bezeichnet die Leistung, die eine bedürftige Person nach der rechtskräftigen Scheidung erhält. Er folgt damit auf den Trennungsunterhalt, der im Laufe der Trennungszeit gezahlt wird.
Der nacheheliche Unterhalt setzt jeweils eine bedürftige und eine leistungsfähige Person in der geschiedenen Ehe voraus:
Bedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten kann.
Leistungsfähig ist, wer den nachehelichen Unterhalt zahlen kann, ohne dabei den eigenen angemessenen Lebensunterhalt zu gefährden. Dieser liegt nach der Düsseldorfer Tabelle derzeit bei 1.510 Euro (Erwerbstätige) bzw. 1.385 Euro (arbeitslose Menschen). In berechtigten Einzelfällen – z.B. bei sehr hohen Wohnkosten - kann eine Anhebung dieser Beträge erfolgen.
Wichtig: Verfügt die vermeintlich bedürftige Person über eigenes Vermögen, muss er dieses für seinen Lebensunterhalt verwenden (§ 1577 BGB). Jedoch nur, sofern das Vermögen nicht geringfügig ist. Als geringfügig gelten Vermögen mit einem Verkehrswert von weniger als 15.500 Euro.
Wie lange muss nachehelicher Unterhalt nach der Scheidung gezahlt werden?
Wie lange nachehelicher Unterhalt gezahlt werden muss, hängt vom konkreten Einzelfall ab. Maßgeblich sind zum einen die Unterhaltsgründe und zum anderen die Bedürftigkeit der Person, die den Unterhalt empfängt. In der Praxis wird der nacheheliche Unterhalt häufig auf eine Zeit von 1/3 bis ¼ der Ehedauer begrenzt.
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Unterhalt nach Scheidung: Welche Voraussetzungen gelten?
Ist von den Eheleuten eine Person nach der Scheidung nicht in der Lage, den eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren, hat sie unter Umständen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt (ugs. Scheidungsunterhalt). Voraussetzung ist jedoch, dass zum Zeitpunkt der Scheidung einer der sieben Unterhaltsgründe des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorliegt:
1. Betreuungsunterhalt für Kind
Der sog. Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) ist für mindestens drei Jahre nach der Geburt eines Kindes zu zahlen. Im Anschluss wird von dem Elternteil, bei dem das Kind lebt, erwartet, dass er wieder erwerbstätig wird. Ausnahme: Hat das Kind Schwierigkeiten in der Schule oder ist es gesundheitlich eingeschränkt, kann Betreuungsunterhalt auch nach dem 3. Lebensjahr gerechtfertigt sein (vgl. BGH-Urteil, Az.: XII ZR 94/09).
Erleidet der Elternteil, der das Kind betreut, durch die Betreuung einen Nachteil in Form von reduzierten Versorgungsanwartschaften, müssen diese ggf. ausgeglichen werden (vgl. BGH-Urteil, Az.: XII ZB 235/12).
Gut zu wissen: Wann haben Alleinerziehende Anspruch auf einen Unterhaltsvorschuss?
2. Unterhalt wegen Krankheit
Kann eine Person der beiden geschiedenen Eheleute aufgrund einer Erkrankung nicht arbeiten, hat sie gem. § 1572 BGB nach der Scheidung Anspruch auf Unterhalt. Dies gilt jedoch nur, sofern die Erkrankung zum Zeitpunkt der Scheidung vorlag. Tritt sie erst danach auf, scheidet der Unterhaltsanspruch wegen Krankheit aus.
3. Altersunterhalt
§ 1571 BGB begründet einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, sofern eine Ehepartnerin oder ein Ehepartner aufgrund des Alters keine Arbeit mehr findet. Eine konkrete Altersgrenze existiert jedoch nicht. Als Orientierung dient die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rente.
In diesem Zusammenhang wissenswert: Wann haben Eltern Anspruch auf Unterhaltszahlungen ihrer Kinder?
4. Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit
Ein Unterhalt nach Scheidung steht auch Personen zu, die im Anschluss an die Ehe keine Arbeitsstelle finden (§ 1573 BGB) – sofern sie nicht bereits einen Betreuungsunterhalt bzw. Unterhalt wegen Alter oder Krankheit erhalten. Wichtig: Die bedürftige Person muss nachweisen, dass sie sich ernsthaft um einen Job bemüht hat. Eine Arbeitslosmeldung bei der Agentur für Arbeit begründet noch keinen Unterhaltsanspruch.
5. Aufstockungsunterhalt
Hat einer der beiden geschiedenen Eheleute ein deutlich höheres Einkommen als der andere und war dieses maßgeblich für den ehelichen Lebensstandard, steht der anderen Person ein Aufstockungsunterhalt zu (§ 1573 Abs. 2 BGB). Der Bedarf wird nach dem sog. Halbteilungsgrundsatz ermittelt. Dazu werden beide Gehälter addiert und durch 2 geteilt. Abschließend wird das geringere Gehalt vom Ergebnis abgezogen.
Beispiel: A (Monatsgehalt: 4.500 Euro) und B (Monatsgehalt: 1.500 Euro) lassen sich scheiden.
4.500 Euro + 1.500 Euro / 2 = 3.000 Euro → 3.000 Euro – 1.500 Euro = 1.500 Euro Aufstockungsunterhalt
6. Ausbildungsunterhalt
Hat eine der beiden geschiedenen Personen aufgrund der Ehe eine Ausbildung abgebrochen oder gar nicht erst begonnen und möchte diese nach der Scheidung fortsetzen oder beginnen, besteht gem. § 1575 BGB ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt.
7. Unterhalt aus Billigkeitsgründen
Liegen andere Gründe vor, warum eine oder einer der Ehepartner keine Erwerbstätigkeit aufnehmen kann oder wäre ein Unterhaltsverzicht grob unbillig, kann ein Anspruch auf Unterhalt aus Billigkeitsgründen bestehen. Dies wäre z.B. der Fall, wenn einer der beiden Eheleute sich um ein gemeinsam vor der Trennung aufgenommenes Pflegekind kümmert (vgl. BGH-Urteil, Az.: IVb ZR 28/82).
Näheres erfahren zu den Kriterien für Billigkeitsabwägung: BGH-Urteil aus dem Jahr 2010, Az.: XII ZR 202/08
Nachehelichen Unterhalt beantragen: So geht‘s
Der nacheheliche Unterhalt muss beantragt werden. Er kann entweder zusammen mit der Scheidung oder in einem separaten Verfahren gestellt werden. Dabei muss diejenige Person, die Unterhalt verlangt, darlegen und beweisen, warum ihr nachehelicher Unterhalt zustehen soll. Das Gericht prüft anschließend, welche Unterhaltstatbestände vorliegen, ob diese eine Bedürftigkeit begründen und inwieweit die andere Person aus der Ehe leistungsfähig ist.
Nachehelichen Unterhalt berechnen
Die Höhe des nachehelichen Unterhalts hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Zunächst wird das unterhaltsrelevante Einkommen beider Eheleute ermittelt. Dabei handelt es sich um das sog. anrechenbare Einkommen, also das Bruttoeinkommen abzüglich:
- Steuern
- Sozialabgaben
- private Altersvorsorge
- berufsbedingte Aufwendungen (pauschal 5 %, max. 150 Euro)
- Fort- und Ausbildungskosten
Im nächsten Schritt wird der nacheheliche Unterhalt berechnet. Dieser beträgt in der Regel 3/7 des anrechenbaren Einkommens der unterhaltspflichtigen Person. Achtung: Dies gilt nur, sofern die unterhaltsberechtigte Person selbst nicht erwerbstätig ist. Ist sie jedoch in Lohn und Brot, beträgt der nacheheliche Unterhalt 3/7 der Differenz beider anrechenbarer Einkommen.
Wichtig: Beim nachehelichen Unterhalt steht der unterhaltszahlenden Person ein Selbstbehalt zu. Dieser richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle.
Beispiel: A (anrechenbares Einkommen: 3.000 Euro) und B (arbeitslos) lassen sich scheiden. Folglich müsste A an B rund 1.286 Euro Unterhalt zahlen (3.000 Euro / 7 x 3 = 1.286 Euro). Das verbleibende Einkommen für A wäre dann 1.714 Euro (3.000 Euro - 1.286 Euro), was über dem Selbstbehalt von 1.510 Euro liegt.
Wäre B berufstätig (anrechenbares Einkommen: 1.200 Euro), wäre A zu einem Unterhalt in Höhe von rund 771 Euro verpflichtet (3.000 Euro - 1.200 Euro = 1.800 Euro -> 1.800 Euro / 7 x 3 = 771 Euro). Das verbleibende Einkommen für A wäre dann 2.229 Euro (3.000 Euro - 771 Euro), ebenfalls über dem Selbstbehalt von 1.510 Euro.
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