16.11.2020

Vergehen und Verbrechen – Das sind die Unterschiede

Die im deutschen Strafrecht normierten Delikte sind höchst unterschiedlicher Natur. Sie grenzen sich nicht nur in ihren Tatbeständen und Voraussetzungen, sondern auch hinsichtlich des zu verhängenden Strafmaßes voneinander ab. Bei der Bewertung einer Straftat werden die Begriffe „Vergehen“ und „Verbrechen“ im alltäglichen Sprachgebrauch häufig fälschlicherweise synonym verwandt. Wann eine Straftat als Vergehen und wann als Verbrechen eingeordnet wird und welche Relevanz die Einordnung für ein Strafverfahren hat, klärt dieser Artikel.

Unterschied zwischen Vergehen und Verbrechen: der Rückblick erklärt es

Die Differenzierung zwischen Vergehen und Verbrechen war schon früh an die damit verbundene Strafandrohung geknüpft. Bereits im Rechtsstrafgesetz aus dem Jahr 1871 erfolgte eine Einordnung von Rechtsverstößen in Übertretung, Vergehen und Verbrechen.

Als Übertretung galten Rechtsverstöße, die mit einer Haftstrafe oder einer geringen Geldstrafe verbunden waren, Vergehen wurden mit einer Gefängnisstrafe, Festungshaft oder einer hohen Geldstrafe von mehr als 150 Mark geahndet.

Ein Verbrechen war gegeben, wenn die begangene Tat entweder mit einer Festungshaft von mehr als 5 Jahren, einem Zuchthausaufenthalt oder der Todesstrafe bestraft werden konnte.

Vergehen und Verbrechen: Unterschiede in der aktuellen Rechtsprechung

Mit der Strafrechtsreform im Jahr 1974 wurde die Übertretung aus dem Strafgesetzbuch herausgelöst und teils in Ordnungswidrigkeiten, teils in Vergehen umgewandelt oder gänzlich straffrei gestellt.

Seit der Strafrechtsreform können Straftatbestände also nur noch Vergehen oder Verbrechen sein. Die entsprechende Einordnung erfolgt durch die Bestimmungen des § 12 StGB. Darin heißt es:

Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind.“

Und weiter:

Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.“

Strafmildernde oder -verschärfende Bestimmungen des Strafgesetzbuches bleiben bei der Klassifizierung unbeachtet. Maßgeblich für die Einordnung sind allein die Angaben im ersten Absatz eines Strafrechtsparagraphen (vgl. § 12 Abs. 3 StGB).

Verbrechen und Vergehen: Relevanz der Unterschiede

Grundsätzlich kann auch ein versuchter Rechtsverstoß gegen das Strafrecht als strafbar gelten. Die Unterscheidung zwischen Vergehen und Verbrechen ist in einem Strafprozess also von großer Relevanz, denn: Gemäß § 23 Abs. 1 StGB ist der Versuch eines Verbrechens stets strafbar, während der Versuch eines Vergehens nur dann strafbar ist, wenn dies das Gesetz ausdrücklich bestimmt. Jedoch kann nur ein vorsätzliches Vergehen im Falle des Versuchs strafbar sein. Bei einem fahrlässigen Vergehen (bspw. einer fahrlässigen Körperverletzung) ist keine Versuchsstrafbarkeit möglich, da die Täterhandlung nicht auf die Folgen bzw. die Tatausübung ausgerichtet war. Aus diesem Grund werden alle fahrlässigen Verstöße grundsätzlich als Vergehen eingeordnet.

Auch bei Strafverfahren, bei denen dem Beschuldigten eine schwerwiegende Straftat vorgeworfen wird, ist der Unterschied zwischen Vergehen und Verbrechen von Bedeutung. Wird dem Beschuldigten ein Verbrechen vorgeworfen, liegt ein Fall der sogenannten notwendigen Verteidigung im Sinne des § 140 StPO vor. Das bedeutet: Das Strafverfahren darf nur durchgeführt werden, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger – beispielsweise einen Pflichtverteidiger – vorweist.

Darüber hinaus ist der Begriff des Verbrechens im Zusammenhang mit der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit sowie des Stimmrechts einer Person von Bedeutung. Wer aufgrund eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde, verliert gemäß § 45 Abs. 1 StGB die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen.

Beispiele: Arten von Verbrechen und Vergehen

Im Strafgesetzbuch sind zahlreiche Straftatbestände als Vergehen normiert. Dazu zählen beispielsweise:

 

Einige Straftatbestände sind zusätzlich qualifiziert. So sind im Bereich der Körperverletzung sowohl Vergehen als auch Verbrechenbenannt. Während eine einfache Körperverletzung (§ 223 StGB) als Vergehen eingeordnet und mindestens mit einer Geldstrafe geahndet wird, gilt eine schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) als Verbrechen, da die Mindeststrafe bei einem Jahr liegt.

Beispiele für den Straftatbestand eines Verbrechens sind:

 

Hinweis: In älterer Literatur wird häufig das Wort „Kapitalverbrechen“ verwendet. Dieses beschreibt umgangssprachlich ein besonders schweres Verbrechen, das nach alter Rechtsprechung mit dem Tode zu ahnden war (lat. capitalis = den Kopf betreffend). Der Begriff des Kapitalverbrechens hat in der heutigen Rechtswissenschaft jedoch keine Verwendung mehr.

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